OLG München: Limited mit Sitz in Deutschland ist nach dem Brexit nicht mehr parteifähig

Das OLG München hatte als Berufungsinstanz über die Parteifähigkeit einer britischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland zu entscheiden. Ein Onlinehändler, der Kosmetika vertreibt, begehrte den Erlass einer einstweiligen Verfügung unter dem Gesichtspunkt einer kartellrechtlichen Preisbindung. Der Antrag wurde am 22.03.2021 gestellt, nachdem die Übergangsfrist für den Brexit zum 31.12.2020 abgelaufen war. Bei der Antragstellerin handelte es sich um eine Limited, die nach eigenen Angaben ihren Sitz in Großbritannien unterhielt.

Sie konnte diese Aussage jedoch nicht durch überzeugende Unterlagen glaubhaft machen. Das Gericht nahm an, dass die geschäftlichen Entscheidungen tatsächlich in Deutschland getroffen wurden, sodass es von einem Sitz im Inland ausging. Als britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland hielt das Gericht die Antragstellerin mangels Rechtsfähigkeit nicht für parteifähig und den Antrag für unzulässig. Daher wies es die Berufung zurück (OLG München, Urteil vom 05.08.2021, Az.: 29 U 2411/21 Kart).

Niederlassungsfreiheit, Sitztheorie und Gründungstheorie

In Rechtsprechung und Literatur hat sich in den letzten Jahren zumindest für Gesellschaften innerhalb der EU die Gründungstheorie durchgesetzt. Demnach gilt die Rechtsform des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Dagegen wendet die früher vorherrschende Sitztheorie auf Gesellschaften das Recht des Staates an, in dem der Hauptsitz ihrer Verwaltung liegt. Die Sitztheorie widerspricht nach der Rechtsprechung des EuGH der durch Art. 43 und 48 EGV garantierten Niederlassungsfreiheit. Für Gesellschaften aus dem außereuropäischen Ausland wird aber weiterhin an ihr festgehalten.

Das OLG München hat mit seiner aktuellen Entscheidung klargestellt, dass für britische Gesellschaften nach dem Brexit wieder die Sitztheorie gelten soll. Auf die Niederlassungsfreiheit könne sich eine britische Gesellschaft nicht berufen, denn mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU hätten die Parteien bewusst keine Vereinbarung über eine Fortgeltung der Niederlassungsfreiheit getroffen.

„Milde Sitztheorie“ und haftungsrechtliche Konsequenzen

Dennoch betrachtet das OLG die britische Limited nicht als rechtliches Nullum, sondern wendet die sogenannte milde Sitztheorie auf sie an. Je nach tatsächlicher Ausgestaltung soll die vorliegende Gesellschaftsform als GbR, OHG oder als Einzelunternehmen nach deutschem Recht betrachtet werden. Diese Beurteilung führt in der Konsequenz dazu, dass auch die Haftungsbeschränkungen der Limited nicht mehr gelten, sondern die Gesellschafter in vollem Umfang persönlich haften. Für britische Unternehmen mit Sitz in Deutschland bedeutet diese Entscheidung: Wer noch nicht vor dem Brexit die Gesellschaftsform geändert hat, sollte jetzt dringend tätig werden. Um die persönliche Haftung als Gesellschafter zu vermeiden, bietet sich zum Beispiel ein Formwechsel in eine GmbH an.