LG Berlin: Bußgeldbescheid gegen juristische Personen setzt vorwerfbares Verhalten eines Organs voraus

Das LG Berlin hatte über den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid zu entscheiden. Es handelte sich bei einem Betrag von rund 14,5 Mio. Euro um das höchste bisher in Deutschland verhängte Bußgeld wegen eines datenschutzrechtlichen Verstoßes.

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BinBDI) stellte im Rahmen einer Prüfung im Jahr 2017 fest, dass die Deutsche Wohnen SE, eine Europäische Aktiengesellschaft, Daten von Mietern speicherte, ohne die Erforderlichkeit der Speicherung zu prüfen. Weiterhin bemängelte die Behörde das verwendete Archivsystem, das die Löschung nicht mehr erforderlicher Daten nicht zuließ. Nachdem die Deutsche Wohnen die beanstandeten Zustände nicht vollständig behoben hatte, erließ die BinBDI am 30.10.2020 einen Bußgeldbescheid. Auf den Einspruch stellte das LG Berlin das Verfahren ein (Beschluss vom 18.02.2021, Az.: (526 OWi LG) 212 Js-OWi 1/20).

Bußgeldbescheid leidet an „gravierenden Mängeln“

Das Gericht ist der Ansicht, dass eine Gesellschaft niemals Betroffene in einem Bußgeldverfahren sein kann. Statt dessen könne eine juristische Person im Ordnungswidrigkeitsverfahren nur die Stellung einer Nebenbeteiligten haben. Die Behörde habe außer Acht gelassen, dass nach § 30 OWiG ein Bußgeld nur dann gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung verhängt werden darf, wenn eines ihrer vertretungsberechtigten Organe eine schuldhafte Handlung begangen hat. Die BinBDI habe jedoch im Bußgeldbescheid die Gesellschaft als Betroffene behandelt und ihr selbst Verstöße gegen die DSGVO vorgeworfen. Eine Gesellschaft könne jedoch keine Ordnungswidrigkeiten begehen, sondern nur für Verstöße ihrer Organe haften, die ihnen zugerechnet werden könnten. Es wäre zwar denkbar, dass die in § 30 OWiG genannten natürlichen Personen, also die Vorstandsmitglieder, Ordnungswidrigkeiten begangen hätten. Die Behörde hätte aber diesbezügliche Ermittlungen anstellen und zu diesen Handlungen konkret vortragen müssen, was sie unterlassen hatte. Die Strafkammer hält daher den Bußgeldbescheid für derart mangelhaft, dass er nicht die Grundlage des Verfahrens bilden könne.

Eine andere Ansicht, die in der Literatur und vereinzelt in der Rechtsprechung (vom LG Bonn) vertreten wird, hält es dagegen für zulässig, ein Bußgeld nach Art. 83 DSGVO direkt gegen die Gesellschaft zu verhängen. Dieser Ansicht schloss sich das LG Berlin nicht an, denn seiner Meinung nach gelten die Vorgaben des § 30 OWiG über Art. 41 DSGVO auch für Art. 83 DSGVO.

Die Datenschutzbehörde hat im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft Berlin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Das Berliner Kammergericht wird nun über die Rechtsfrage zu entscheiden haben und gegebenenfalls den Bußgeldbescheid auch inhaltlich überprüfen.