LG Hamburg: Wettbewerbsverstoß durch die Behauptung wahrer und nicht erweislich wahrer Tatsachen

Vor dem Landgericht Hamburg stritten sich zwei Anbieter von Qualitätssiegeln für Mineralwasser über geschäftsschädigende Äußerungen. In einer Pressemitteilung bezeichnete die Beklagte ein Gütesiegel der Klägerin als „Schein-Bio-Siegel“. Weiterhin behauptete sie, dass die von der Klägerin mit „Premiummineralwasser in Bio-Qualität“ gekennzeichneten Produkte diverse Schwachstellen aufwiesen und weder die Erwartungen der Verbraucher noch die Anforderungen der Rechtsprechung an Biomineralwasser erfüllten.

Außerdem mache die Klägerin ihre Zertifizierung von den jeweiligen Kundenbedürfnissen abhängig, wodurch mögliche Verstöße und Konsequenzen bei Qualitätsmängeln praktisch ausgeschlossen würden. Die Klägerin berief sich auf §§ 3, 4 Nr. 1 und Nr. 2, 8 UWG und klagte auf Unterlassung und Schadenersatz. Das Landgericht Hamburg hielt die Klage hinsichtlich der ersten und dritten Äußerung für begründet (Urteil vom 09.07.2019, Az.: 406 HKO 22/19).

Auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen sind nur in Grenzen erlaubt

Die Kammer stellte fest, dass die Bezeichnung als „Schein-Bio-Siegel“ eine Tatsachenbehauptung ist. Denn im Kern stecke die Behauptung, es handele sich in Wirklichkeit nicht um ein Qualitätssiegel für Mineralwasser in Bioqualität. Die Beklagte hätte substantiiert vortragen müssen, dass die Kriterien der Siegelvergabe nicht denjenigen entsprechen, die für ein Mineralwasser in Bioqualität vorgesehen sind. Ohne solchen Vortrag mit Beweisantritt sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG gegeben, weil die Aussage eine nicht erweislich wahre Tatsache darstelle. Aber selbst wenn die Qualitätsanforderungen des Siegels derart unzureichend gewesen wären, hätte die Beklagte eine vorsichtigere Formulierung finden müssen als die des Scheinsiegels, das den Anschein einer vorsätzlichen Täuschung erweckt. Denn auch geschäftsschädigende wahre Tatsachen dürften nur in engen Grenzen verbreitet werden. Voraussetzung sei stets ein berechtigtes Informationsinteresse des angesprochenen Adressatenkreises, außerdem müsse sich die Kritik nach Art und Umfang im Rahmen des Erforderlichen halten.

Für den Wahrheitsgehalt ist der Äußernde beweispflichtig

Die zweite Aussage über „Premiummineralwasser in Bioqualität“ hielt das Gericht für sachlich gerechtfertigte Kritik, denn das Qualitätssiegel wies in mehreren Punkten nachweisbar Defizite auf. Die dritte Äußerung erachtete die Kammer wiederum als nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung, für deren Wahrheitsgehalt die Beklagte den Beweis hätte erbringen müssen. Zwar sei dargelegt worden, dass die Klägerin in gewissem Maße die Qualitätsanforderungen individuell an die Kundenbedürfnisse anpasst. Dies habe die Beklagte jedoch nicht zu weiterreichenden Unterstellungen berechtigt. Denn die streitige Behauptung suggeriere dem Leser, dass die Produkte praktisch gar keiner Kontrolle unterzogen würden und daher selbst ein qualitativ minderwertiges oder verunreinigtes Wasser das Siegel der Klägerin erhalten könnte. Zum Wahrheitsgehalt dieser Aussage habe die Beklagte aber nicht substantiiert vorgetragen.