Verbrauchern, die Waren im Internet bestellen, steht grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Dieses Widerrufsrecht fällt unter die entsprechende EU-Richtlinie von 2011 betreffend Fernabsatzverträge, die von Deutschland in nationales Recht umzusetzen war. Kunden, die im Internet bestellen, befinden sich in einer besonderen Situation, denn sie können die gekaufte Ware nicht wie im Einzelhandel in Augenschein nehmen. Das gesetzliche Widerrufsrecht soll einen besonderen Schutz gewähren und diesen Nachteil ausgleichen. Nach Erhalt der Ware sollen die Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit von 14 Tagen bekommen. Entscheiden sich die Kunden gegen die bestellte Ware, besteht das Recht auf Rücksendung sowie auf Erstattung des Kaufpreises und der Rücksendekosten.
In Ausnahmefällen sind die Händler jedoch dazu berechtigt, das Widerrufsrecht auszuschließen (§ 312g Abs. 2 BGB). Leider sind die diese vom Gesetzgeber normierten Ausnahmen jedoch nicht immer abschließend formuliert. Aus diesem Grund kommt häufig das Richterrecht in Einzelentscheidungen zur Anwendung. Das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen besteht nicht bei Hygieneartikeln, wenn diese aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen nicht zur Rückgabe und den anschließenden Weiterverkauf geeignet sind. Dieser Fall trifft immer dann zu, wenn die Versiegelung entfernt wurde. Soweit lässt sich das Gesetz zu dieser Sache ein. Tatsächlich war das Widerrufsrecht betreffend Hygieneartikel jedoch bereits Gegenstand zahlloser Gerichtsentscheidungen.
Im vorliegenden Fall bat der Bundesgerichtshof den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen um die Auslegung der entsprechenden EU-Richtlinie zum Schutz von Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen. Die Richter am EuGH hatten über die Klage eines Verbrauchers zu entscheiden, der bei einem Online-Händler eine versiegelte Matratze bestellt hatte und den Kauf innerhalb der gesetzlichen Frist widerrufen hatte. Er verlangte die Erstattung des Kaufpreises und der Transportkosten. Der Online-Händler berief sich auf die Rechtsprechung und lehnte die Rückgabe der Matratze aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen ab. Nach Öffnung der Versiegelung sei die Matratze nicht zur Rückgabe geeignet.
Laut Entscheidung des EuGHs handelt es sich bei Matratzen jedoch nicht um Hygieneprodukte im Sinne der Verbraucherschutz-Richtlinie und der in § 312g BGB beschriebenen Ausnahmevorschrift. Generell bestehe bei Matratzen die Möglichkeit, diese durch Reinigung wieder „verkehrsfähig“ zu machen. Versiegelte Waren sind nach Auffassung des EuGHs derart verpackt, dass die Öffnung der Verpackung (Versiegelung) „nicht wieder rückgängig zu machen ist“.
Bei Matratzen besteht nach der Rückgabe jedoch die Möglichkeit einer erneuten Versiegelung. Der Kläger war aufgrund der Entfernung der Versiegelung nicht daran gehindert, sein gesetzliches Recht auf Widerruf auszuüben. Er hat einen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises und der Transportkosten gegen den Online-Händler.