„Wachhund der Öffentlichkeit“ darf weiter anschlagen

Aufgeklärte Verbraucher sind kritische Beobachter. Werden in der Werbung Attribute wie „bio“ und „ökologische Landwirtschaft“ verwendet, weckt das beim Käufer bestimmte Erwartungen. Wer Bio-Eier kauft, erwartet, dass die Hühner zumindest ansatzweise artgerecht gehalten werden. Sind die Tiere zwar nicht in Käfigen, haben sie aber dennoch so wenig Platz, dass sie sich gegenseitig die Federn ausreißen oder sich sogar töten, entspricht das nicht den ethischen Vorstellungen.
Im Mai 2012 machte ein engagierter Tierschützer ohne Genehmigung des Eigentümers der Anlage Filmaufnahmen von einer Hühnerfarm. Die Betreiber der Großraumanlage warben dafür, im Rahmen einer Erzeugergemeinschaft Eier auf ökologischer Grundlage zu produzieren. Der unberechtigt auf die Anlage gelangte Tierfilmer hielt Bilder fest, die tote Hühner und Hühner, deren Federkleid deutlich kahle Stellen hatte, zeigten. Die Filmaufnahmen überließ der Tierschutzaktivist der ARD. Die Aufnahmen wurden am 03.09.2018 im Rahmen einer kritischen, auf Verbraucherinformation gerichteten Sendereihe der ARD im Ersten Programm gesendet.

BGH bewertet das Informationsinteresse hoch

Der Bundesgerichtshof hat nun durch seine am 10.04.2018 zum Aktenzeichen VI ZR 396/16 verkündete Entscheidung das Recht der Presse, auf Missstände hinzuweisen, die für den Verbraucher von Interesse sind, gestärkt. Dem klagenden Landwirt wurden kein Unterlassungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Fernsehsender zuerkannt. In den ersten beiden Instanzen war die Klage jeweils erfolgreich gewesen.
Anders als Landgericht und Oberlandesgericht ging der Bundesgerichtshof nicht davon aus, dass das Filmmaterial schon deshalb nicht öffentlich gezeigt werden dürfte, weil es, unbestritten, nach illegalem Eindringen auf ein Privatgrundstück aufgenommen worden ist. Wenn der Hausfriedensbruch dem Sender, der das Filmmaterial ausstrahlte, nicht angelastet werden kann, bestehen für den Bundesgerichtshof keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Verwendung des Materials. Nicht der Film ist illegal, sondern das Verursachen von Schäden an geschützten Rechtsgütern des Hausrechtsinhabers.

Das gilt jedenfalls dann, wenn ein wichtiges Informationsrecht der Öffentlichkeit besteht. Im vorliegenden Fall war der ARD das möglicherweise strafbare Verhalten bei der Beschaffung des brisanten Filmmaterials in keiner Weise zuzurechnen. Das öffentliche Interesse bestand, weil der Kläger für seine Eier mit besonders hohem Standard geworben hat. Beim durchschnittlich informierten Verbraucher weckt das Erwartungen. Presse, Rundfunk und Fernsehen sind hier als „Wachhunde der Öffentlichkeit“ gefragt. Tote Tiere, die zwischen den lebenden Hennen liegen und Legehennen mit teilweise fehlendem Gefieder sprechen gegen die Qualität der Haltung.

Kein rechtswidriger Angriff auf geschützte Unternehmensrechte

Der Kläger machte geltend, dass er in seinem ihm als Unternehmer zustehenden besonderen Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt sei. Die negative Wirkung des illegal erlangten Filmmaterials könnten ihn auch in der Ausübung seines eingerichteten Gewerbebetriebes beeinträchtigen. Die ranghöchsten deutschen Zivilrichter verneinten derartige Rechtsverletzungen.
Wenn es zu Rechtsverletzungen im Bereich der Persönlichkeit des Klägers gekommen wäre, müssten diese Rechtsverletzungen nach den Vorgaben des § 823 BGB ff geprüft werden. Einer Schadensersatzpflicht steht dabei nach Ansicht des Bundesgerichtshofes das öffentliche Interesse an der Information entgegen.