EuGH: Facebook muss auch die sinngemäße Verbreitung ehrverletzender Beiträge verhindern

Der EuGH hatte über eine Klage gegen Facebook zu entscheiden, die sich auf den Umfang der Löschungspflicht bei rechtswidrigen Äußerungen bezog. Die Klägerin ist eine Abgeordnete des österreichischen Nationalrates und Bundessprecherin einer Partei. Ein Facebook-Nutzer verlinkte in seinem Profil zu einem Artikel eines Online-Magazins mit kurzer Inhaltszusammenfassung und einem Foto der Klägerin. Dazu postete er einen Kommentar, in dem er die Politikerin in ehrverletzender Weise beschimpfte und diffamierte. Die Klägerin forderte Facebook erfolglos zur Entfernung des Beitrags auf.

Daraufhin klagte sie vor dem Handelsgericht Wien, das Facebook im Wege der einstweiligen Verfügung untersagte, das Foto der Klägerin mit den wortgetreuen oder sinngleichen Behauptungen des Begleittexts weiterhin zu veröffentlichen. Facebook verhinderte den Zugang zu dem beanstandeten Beitrag aus der österreichischen Version des Netzwerks und legte Rechtsmittel beim Oberlandesgericht Wien ein. Dieses folgte hinsichtlich des wortgetreuen Kommentars der erstinstanzlichen Entscheidung, nicht aber bezüglich sinngleicher Äußerungen. Solche müssten nur unterlassen werden, sobald Facebook Kenntnis von ihnen erhalten habe, denn eine Prüfungspflicht des Host-Providers bestehe nur nach der Mitteilung einer Rechtsverletzung. Beide Parteien legten Revision ein.
Der Oberste Gerichtshof Österreichs vertritt die Ansicht, dass die Löschungspflicht eines Providers im Einzelfall auf sinngemäße Äußerungen ausgedehnt werden kann. Dies sei vorliegend anzunehmen, da Facebook bereits von einer Rechtsverletzung gewusst habe und die Gefahr weiterer Verletzungen bestanden habe, denn andere Nutzer hätten den Beitrag teilen und weiterverbreiten können. Da die Beurteilung jedoch von der Auslegung europarechtlicher Bestimmungen, insbesondere der E-Commerce-Richtlinie 2000/31 abhänge, setzte er das Verfahren aus und rief den EuGH an.

Nationale Gerichte dürfen von Hostprovidern die Entfernung sinngleicher Beiträge verlangen

Der EuGH entschied am 03.10.2019 (Az.: C-18/18), dass die Gerichte der Mitgliedsstaaten von Host-Providern verlangen können, nicht nur einen wortgetreuen Kommentar, sondern auch sinngemäße Äußerungen zu entfernen, wenn die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Aussage bereits festgestellt worden ist. Die Justiz dürfe einem Provider allerdings keine eigenständige Inhaltskontrolle abverlangen. Nur wenn die Beiträge die in der gerichtlichen Verfügung genannten Merkmale aufwiesen und die inhaltlichen Aussagen sich so stark ähnelten, dass keine erneute Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich sei, müsse Facebook tätig werden. Anderenfalls könnte eine ehrenrührige Behauptung mit nur minimaler Veränderung der Formulierung ungehindert verbreitet werden. Der Betroffene müsste dann jeden einzelnen Post melden, um sich vor weiteren Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts zu schützen. Angesichts der schnellen Informationsweitergabe im Internet hätten die Geschädigten dann praktisch keine Möglichkeit, ihre Rechte zu wahren. Eine leichte Ausweitung der Provider-Pflichten hält der Gerichtshof daher für erforderlich und angemessen.