OLG München zu unerlaubter Telefonwerbung: Datenschutzrecht hat keinen Vorrang vor Wettbewerbsrecht

Das OLG München hatte einen wettbewerbsrechtlichen Streit zwischen zwei Strom- und Gaslieferanten über unerwünschte Telefonwerbung zu entscheiden. Die Beklagte hatte mehrere Kunden angerufen oder anrufen lassen, um sie zum Abschluss von Energieverträgen zu bewegen, ohne dass diese zuvor eingewilligt hatten. Die Klägerin sah hierin unlauteres Verhalten und machte vor dem LG München einen Unterlassungsanspruch aus § 8 I UWG geltend.

Die Beklagte berief sich im Wesentlichen darauf, ihre Telefonwerbung habe mit der europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (EK-DSRL), beziehungsweise der Datenschutzgrundverordnung in Einklang gestanden. Weiterhin scheide ein Anspruch nach § 7 UWG aus, da die Bestimmung aus Anhang I Nr. 26 der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) eine abschließende Regelung enthalte, die vorrangig vor dem UWG anzuwenden sei.

Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das OLG München als Berufungsinstanz bestätigte die Entscheidung (Urteil vom 07.02.2019 zu Az. 6 U 2404/18).

Unerwünschte Telefonwerbung in Deutschland und der EU

Nach § 7 II Nr. 2 UWG ist das Anrufen eines Verbrauchers ohne dessen vorherige Einwilligung eine unzumutbare Belästigung, die einen Anspruch auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung auslöst. Dagegen verbietet die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Nr. 26 des Anhangs ausdrücklich nur das unerwünschte und „hartnäckige“ Ansprechen per Telefon.
Im europäischen Datenschutzrecht findet sich derzeit kein generelles Verbot der Werbeanrufe ohne Einwilligung, die EU-Datenschutzgrundverordnung stellt vielmehr auf ein Widerspruchsrecht des Verbrauchers ab. Es ist zu erwarten, dass die neue ePrivacy-Verordnung, die bereits zur Ergänzung der DSGVO geplant war, diese Lücke schließen und Werbeanrufe von der vorherigen Einwilligung des Verbrauchers abhängig machen wird.

§ 7 UWG verstößt nicht gegen Unionsrecht

Der Senat sah bei der Anwendung des § 7 UWG keinen Verstoß gegen Unionsrecht. Der deutsche Gesetzgeber sei befugt gewesen, das Tatbestandsmerkmal „hartnäckig“ aus der EU-Richtlinie 2005/29/EG nicht in den Text des UWG aufzunehmen, denn er habe nach geltendem EU-Recht auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes einen eigenen Spielraum gehabt und unter mehreren Regelungsmöglichkeiten wählen können. Weiterhin sei es unerheblich, ob das streitgegenständliche Verhalten den Maßgaben des europäischen Datenschutzrechts genügt, denn bei Datenschutz- und Wettbewerbsrecht handele es sich um zwei verschiedene Materien. Die Ansprüche aus dem UWG und der DSGVO können somit nebeneinander bestehen. Ein wettbewerbsrechtliches Verbot kann nach Ansicht des Gerichts nicht umgangen werden, nur weil ein Verhalten nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen erlaubt ist.
Weitere mögliche Verstöße gegen höherrangiges Recht schloss der Senat ebenfalls aus und verwies dazu auf die BGH-Rechtsprechung im sogenannten Double-opt-in-Verfahren (Urteil vom 10.02.2011 zu Az. I ZR 164/09).