Änderung des Telemediengesetzes: gute Absicht, fragliche Verpackung Der Bundestag hat nunmehr das „Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ verabschiedet, dessen Neuerungen ab 27. Juli 2016 gelten. Einer der Kernpunkte der novellierten Regelungen ist die Abschaffung der so genannten Störerhaftung in Deutschland (siehe hierzu bereits: „Freier Weg für offenes WLAN: Störerhaftung für HotSpots wird abgeschafft„).
Anbieter öffentlicher Drahtlosnetzwerke wie in Bahnhöfen, Flughäfen, Hotels, Cafés, aber auch im privaten Bereich sollen von der Haftung für die Internetnutzung Dritter befreit werden, die eingriff, wenn bei Urheberrechtsverletzungen die Identität des tatsächlichen Nutzers nicht zu ermitteln war. Dieses unkalkulierbare Haftungsrisiko war einer der Hauptgründe, warum bislang in Deutschland im internationalen Vergleich relativ wenige WLAN-Hotspots bereitgestellt wurden. Dies steht dem Vorhaben der Bundesregierung entgegen, bis 2018 „für alle und überall“ Zugang zum Internet zu ermöglichen.
Wie bereits früher in diesem Blog ausgeführt („Auch neuer WLAN-Gesetzentwurf in der Kritik: Rechtssicherheit zu Lasten der WLAN-Betreiber„), war das Gesetzgebungsverfahren von heftiger Kritik begleitet. Der Entwurf sah zeitweise vor, dass zur Haftungsbefreiung weitere Maßnahmen seitens der Anbieter der Drahtlosnetzwerke erforderlich waren, wie eine Erklärung der Nutzer, sich bei der Nutzung rechtskonform zu verhalten – selbst im eigenen Familien- und Freundeskreis. Von solchen Bedingungen hatte sich der Gesetzgeber zuletzt zwar verabschiedet. Unsicherheiten bleiben aber bestehen. Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber das „Providerprivileg“, das heißt, nicht für Rechtsverstöße der Nutzer haften zu müssen, zwar nun auch ausdrücklich auf rein private Anbieter lokaler Drahtlosnetzwerke erweitert.
Gleichzeitig schließt der Gesetzestext aber nicht aus, dass weiterhin zivilrechtliche Unterlassungsansprüche (nach § 1004 BGB) geltend gemacht werden können. Dies bedeutet, dass zwar eine Haftung für Rechtsverstöße Dritter ausgeschlossen ist, die mit einer Abmahnung verbundenen anwaltlichen Kosten dennoch anfallen können, zumal, wenn der abgemahnte Netzwerkanbieter Kosten und Mühen des Gerichtswegs scheut. Dabei ist es gerade erklärtes Ziel der Bundesregierung, Anbieter lokaler WLANs von jeder Form der „unmittelbaren und mittelbaren Haftung für Handlungen Dritter“ zu befreien.
Dass sich dieser gesetzgeberische Wille nun jedoch nicht im Gesetz, sondern lediglich in der Gesetzesbegründung wiederfinden, liegt an der Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben, namentlich der E-Commerce-Richtlinie. Ob aber der nur in der Begründung enthaltene Wille zur Abschaffung der Störerhaftung von den Gerichten bei der Auslegung des novellierten Telemediengesetzes so wie von der Regierung erhofft berücksichtigt wird, ist durchaus offen.
Wenn allerdings, wie vielfach erwartet, die Richter des EuGH dem Generalanwalt in einem derzeit anhängigen Verfahren folgen und die Geltendmachung von Kosten für Rechtsfolgen von Urheberrechtsverstößen als mit dem EU-Recht unvereinbar ansehen (siehe hierzu bereits „Freies W-Lan, Störerhaftung und das Gutachten des Generalanwalts am EuGH„), könnte einem wirtschaftlichen Interesse an Abmahnungen bald ohnehin die Grundlage entzogen werden.