Mit großer Mehrheit der Regierungsparteien verabschiedete der Bundestag am 16. Oktober 2015 den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (Drucksache 18/5088) zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten.
Nach dem Scheitern eines ersten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahre 2010, hatte auch der europäische Gerichtshof (EuGH) 2014 die diesbezügliche europäische Vorgabe kassiert, sodass ein Regelungsrahmen für die anlasslose Erfassung von Telekommunikationsdaten zum Zwecke der Strafverfolgung zuletzt fehlte.
Kernpunkt des neuen Gesetzentwurfs ist die Verpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, Daten ihrer Kunden in Bezug auf Rufnummern, Zeitangaben, Dauer und IP-Adressen für eine Dauer von zehn Wochen bzw. Standortdaten von Handys für vier Wochen – im Inland – zu speichern. Diese Daten dürfen von den Strafverfolgungsbehörden abgerufen werden, wenn eine anderweitige Aufklärung der namentlich aufgeführten Straftaten nicht möglich und die Erhebung verhältnismäßig ist. Daten aus dem E-Mail-Verkehr sind ausdrücklich ausgenommen, ferner dürfen die Inhalte von SMS nicht weitergeben werden.
Allerdings werden letztere aus technischen Gründen von den Unternehmen mitgespeichert, da sich die Stammdaten nicht von den Inhalten trennen lassen. Praktische Probleme ergeben sich bei den Berufsgeheimnisträgern, deren Daten zwar gespeichert, nicht jedoch verwertet werden dürfen: Ob es sich um einen Berufsgeheimnisträger handelt, lässt sich aber nur im Moment des Zugriffs ermitteln. Journalisten oder Anwälte sorgen sich daher um den Schutz ihrer Informanten.
Zwar werden die Kundendaten auch bislang schon zum Zwecke der Abrechnung von den Telekommunikationsfirmen gespeichert, oft jedoch nur wenige Tage und nicht ausreichend detailliert, was laut Gesetzgeber zu Lücken in der Strafverfolgung führe. Aus Sicht der betroffenen Unternehmen wird mit Mehrkosten von ca. 600 Mio. Euro für die erforderlich werdende Speicherinfrastruktur gerechnet.
Während einige Befürworter der Vorratsdatenspeicherung aus der Praxis, darunter Vertreter von Gerichten, Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt, die neuen Bestimmungen noch für zu kurz gegriffen halten, und Speicherfristen von sechs Monaten, eine Ausweitung des Katalogs verfolgbarer Straftaten und die Miteinbeziehung des E-Mail-Verkehrs fordern, haben verschiedene Oppositionsparteien und Datenschützer bereits den erneuten Weg nach Karlsruhe vor das Verfassungsgericht angekündigt.
Neben den allgemeinen Abwägungsproblemen beim Eingriff in Grundrechte führen die Kritiker vor allem an, dass es bislang an Belegen für den Nutzen einer solchen anlasslosen Massenspeicherung fehle, zumal es bekannte Möglichkeiten gäbe, die Vorratsdatenspeicherung zu umgehen, neben der Kommunikation über Call-Shops oder Internet-Cafes etwa das Telefonieren mit Prepaid-Handys oder Krypto-Telefonen. Daneben erheben Kritiker mit Blick auf die bekannt gewordenen Spähaktivitäten, etwa der NSA, Bedenken bezüglich der effektiven Sicherung derartiger enormer Datenpools. Auch sei das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 2010 von der Gefahr einer Persönlichkeitsprofilerstellung ausgegangen.
Laut Gesetzgeber seien die in den letzten Urteilen dargelegten Kritikpunkte von Verfassungsgericht und EuGH in dem Entwurf indes berücksichtigt worden. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den neuen Regelungen darf schon jetzt mit Spannung erwartet werden.