Dieser Fall könnte auch unter dem Sprichwort „wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ geführt werden. Dieses sinnbildliche Sprichwort hat sich für einen Kläger verwirklicht, der gegen einen Mitbewerber auf der Verkaufsplattform Amazon gerichtlich vorgeht und wettbewerbsrechtliche Verstöße sowie Unterlassungsansprüche geltend macht. Die sich in diesem Prozess gegenüberstehenden Parteien vertreiben über die Verkaufsplattform Amazon Zubehör für Mobiltelefone. Das Angebot des Klägers ist mit der Bezeichnung X gekennzeichnet, die Ware des Beklagten ist mit der Auszeichnung Y versehen. Beide Parteien vertreiben Zubehör für Mobiltelefone, bei denen es sich um No-Name-Produkte eines chinesischen Herstellers handelt. Es handelt sich demzufolge nicht um Markenware, sondern um industriell hergestellte Massenware.
Die Geschäftspraxis des Anhängens
Die Verkaufspraxis auf Amazon folgt einem bestimmten Muster. Derjenige Verkäufer, der die Ware zuerst anbietet, stellt eine ausführliche Produktbeschreibung ein und vergibt dafür eine sogenannte ASIN-Nummer. Alle weiteren Verkäufer, die anschließend dieselbe Ware anbieten, müssen sich an das Angebot des Erstverkäufers anhängen. Es ist ihnen nicht gestattet, eine eigene ASIN-Nummer zu vergeben. Nur durch dieses Anhängen haben alle weiteren Verkäufer überhaupt eine Chance, ihre Produkte neben dem Erstverkäufer bei Amazon zum Verkauf anzubieten. Genau diese Praxis des Anhängens wollte der Kläger als Erstverkäufer verhindern, indem er gegen den Beklagten wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht gerichtlich vorgeht. Er macht einen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten geltend, mit dem er das Anhängen an sein zuerst eingestelltes Angebot verhindern möchte. Sowohl in der ersten als auch in der Berufungsinstanz blieb sein rechtliches Begehren jedoch erfolglos, da die Richter bei ihm denselben wettbewerbsrechtlichen Verstoß feststellen, den er dem Beklagten vorhält.
Das Anhängen an das eigene Angebot kann der Erstverkäufer nur dann verhindern, wenn er in dem Feld „von“ einen Markennamen oder seinen eigenen Namen als Hersteller einträgt. Durch diese Geschäftspraxis erreicht der Erstverkäufer sozusagen eine Monopolstellung für sich, da er unbeliebte Mitbewerber darin hindert, sich an sein Angebot anzuhängen und ihnen damit den Verkauf derselben Ware auf Amazon verwehrt. Das rechtliche Problem des Klägers besteht dahingehend, dass er in dem streitgegenständlichen Feld „von“ seinen Firmennamen eingetragen hat, obwohl sein Unternehmen nicht Hersteller der Ware ist. Der Kläger importiert die Ware auch nicht selbst nach Deutschland, sondern vertreibt sie über Amazon an deutsche Endkunden.
Indem der Kläger die Ware mit seinem Firmennamen in dem vorgesehen Feld „von“ ausgezeichnet hat, begeht er denselben wettbewerbsrechtlichen Verstoß, den er gegen den Beklagten anführt. Der Kläger handelt irreführend, indem er seinen Kunden vorgibt, selbst Hersteller der Ware zu sein. Die Richter stellen sogar fest, dass das vermeintlich unlautere Handeln des Beklagten alleine durch das gleichermaßen irreführende Angebot des Klägers provoziert wurde, da keine andere Möglichkeit als das Anhängen bestand, um die eigenen Produkte auf Amazon zu vertreiben.
Aus diesem Grund kann der Kläger kein unlauteres Handeln und einen Wettbewerbsverstoß des Beklagten geltend machen, da seine Rechtsposition selbst auf unlauterem, irreführendem Handeln beruht, das er alleine durch eine Berichtigung seines Angebotes unterbinden könnte. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse besteht nicht und daher auch kein Unterlassungsanspruch (§ 242 BGB). Die Richter stellen fest, dass der Kläger alleine darauf aus ist, ungeliebte Mitbewerber daran zu hindern, ihre Angebote über Amazon zu vertreiben.