Wer freies WLAN anbietet, soll zukünftig kein „Störer“ mehr sein

Die Politik wünscht sich weitere Fortschritte bei der Digitalisierung vieler Vorgänge des täglichen Lebens. Die Möglichkeiten zur digitalen Bezahlung von Fahrkarten bei der Bahn und bei öffentlichen Verkehrsmitteln und digitaler Zahlung von Parkgebühren werden als neue Möglichkeiten der Internetnutzung gefeiert. Eine wichtige Voraussetzung dafür, am digitalen Austausch teilzunehmen, ist nicht nur der Besitz eines handlichen, internetfähigen Endgeräts, sondern auch das Angebot von WLAN, der praktischen, kabellosen Internetverbindung.
Freier Zugang zum WLAN in öffentlichen Räumen konnte in Deutschland bisher dazu führen, dass der Inhaber des WLAN-Anschlusses für das Verhalten von Nutzern zur Rechenschaft gezogen wird, die er gar nicht kennt. Bietet ein Café-Betreiber den Gästen an, seinen WLAN-Anschluss zu nutzen, während sie Kaffee und Kuchen genießen, kann es sein, dass er als „Störer“ zur Verantwortung gezogen wird, wenn unter vielen ehrlichen Internetnutzern ein „schwarzes Schaf“ sitzt und durch illegales Filesharing Urheberrechte verletzt. Weil es unmöglich ist, gute Internetnutzer von böswilligen Internetnutzern zu unterscheiden, wenn sich alle im öffentlichen Raum bewegen, gibt es bisher nur wenig frei nutzbare WLAN-Verbindungen in Deutschland. Die Versorgung ist insgesamt schlechter als in manchem Entwicklungsland.Haftungsprivileg gilt nicht, Abmahner kassierenDie gesetzliche Lage und immer aktive Anwaltskanzleien, die sich vollständig auf kostenträchtige Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet spezialisiert haben, haben es für Restaurant- und Ladenbesitzer zum Risiko gemacht, ihren Kunden den WLAN-Service anzubieten, den er sogar aus dem Urlaub in Thailand kennt. Das Haftungsprivileg des Diensteanbieters, dass diesem gemäß § 8 TMG die unbearbeitete Durchleitung von fremden Informationen unter bestimmten Umständen gestattet, ohne ihn selbst für die Inhalte haftbar zu machen, gilt in derzeitiger Fassung nicht für Inhaber eines WLAN-Anschlusses. Dabei ist es gleichgültig, ob der WLAN-Anschluss privat oder geschäftlich betrieben wird.

Politische Ziele und rechtliche Umsetzung

Die Große Koalition hat sich zu Beginn ihrer Regierungszeit zum Ziel gesetzt, die Digitalisierung im Alltag voranzubringen. Dazu gehört die veratärkte Nutzbarkeit von freiem WLAN in öffentlichen Bereichen. Als Hindernis wird hier die sogenannte „Störerhaftung“ wirksam. Im Interesse der Inhaber von Urheberrechten wurde der Anschlussinhaber für Verletzungshandlungen, die von seinem Anschluss ausgingen, ohne Rücksicht auf Tatbeteiligung oder Kenntnis zur Verantwortung gezogen. Zuerst wurde der Störer, dessen einziger Beitrag zur Rechteverletzung in der Bereitstellung des WLAN-Anschlusses bestanden hat, von der Schadensersatzpflicht befreit. Voraussetzung ist die hinreichende Sicherung des Anschlusses vor Missbrauch. Der Anschlussinhaber blieb aber Störer und konnte als solcher kostenpflichtig abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert werden.

EUGH hebt teilweise Haftungsfreistellungen wieder auf

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das nach zwischenzeitlicher Reduzierung die Haftung für den Störer wieder ausweitet, war der letzte Anlass, sich auch in Deutschland vom Prinzip der Störerhaftung abzuwenden. An die Stelle der kostenträchtigen Abmahnung und des Unterlassungsanspruchs will die Große Koalition für Inhaber von Urheberrechten nun einen Sperranspruch einführen. Anschlussinhaber können auf dieser Grundlage Sperrung verpflichtet werden, um die Gefahr einer weiteren Rechtsverletzung zu beseitigen. Kosten soll der Rechteinhaber tragen. Nutzer von freien WLAN-Verbindungen sollen vor dem Einloggen bestätigen, dass sie keinen Missbrauch der Internetverbindung beabsichtigen. Experten befürchten, es könne durch die Einführung einer Rechtsgrundlage für Sperrungen zu einer unangemessenen Welle von Sperranträgen kommen.