Wenn die Patientin flüchtet: Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung in Bewertungsportalen

Wie das Amtsgericht München entschieden hat, ist die Formulierung, wonach eine Patientin aus der Praxis eines Arztes nach der Behandlung aus Unzufriedenheit „herausgerannt“ sei, als zulässige Meinungsäußerung zu werten. Es bestehe mithin kein Anspruch, eine entsprechende Darstellung in einem Ärzte-Bewertungsportal löschen zu lassen (Az. 161 C 7001/15).

Im zu beurteilenden Fall hatte ein Arzt im November 2014 auf einer Internet-Bewertungsseite eine kurz zuvor eingestellte Kritik entdeckt, in welcher eine Patientin anhand von fünf Gründen ausführte, was sie zum „Hinausrennen“ aus seiner Praxis bewogen habe. Zwar wurden nach Gegendarstellung des Arztes die fünf Gründe entfernt. Die negative Darstellung über das „Hinausrennen“ nebst einer weiteren Anmerkung, es habe sich „alles in allem um den absolut falschen Arzt“ gehandelt, blieb jedoch bestehen, sodass der Arzt den Gerichtsweg einschlug.

Nach gefestigter Rechtsprechung kann sich im Falle einer Rechtsverletzung ein Verletzter direkt an den Betreiber der betroffenen Website wenden und Löschung des Beitrags verlangen. Im Kern hatte das Gericht zu entscheiden, inwieweit dem klagenden Arzt hier ein Unterlassungsanspruch gegen das Online-Bewertungsportal zustand. Ein solcher kommt etwa bei einer unrichtigen Tatsachenbehauptung in Betracht. Um eine solche handle es sich nach Ansicht des Arztes bei der negativen Formulierung des „Herausrennens“, da die Patientin die Praxis normalen Schrittes verlassen habe.

Dem folgte das Gericht nicht: Die von dem Patienten getätigte Formulierung des „Hinausrennens“ aus der Praxis sei zumindest neben einer Tatsachenbehauptung auch eine Meinungsäußerung – die nicht als Schmähkritik gewertet werden könne –, da die Patientin so bildlich die Unzufriedenheit an der ärztlichen Behandlung zum Ausdruck gebracht habe. Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit sei auch der Betreiber des Bewertungsportals umfasst.

Demnach war eine Grundrechts-Abwägung zwischen Recht auf Meinungsfreiheit des beklagten Portalbetreibers und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des klagenden Arztes vorzunehmen. Hierzu stellte das Gericht auf den zu schützenden Bereich des Persönlichkeitsrechts des Arztes ab, wobei dieser vorliegend nur in seiner Sozialsphäre, also im Bereich seiner beruflichen Tätigkeit berührt werde, wo er auch mit Kritik an seinen Leistungen rechnen müsse. Eingriffe in diese Sphäre seinen grundsätzlich zulässig, soweit nicht ausnahmsweise schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht hinzukämen, wie Stigmatisierung oder soziale Ausgrenzung, was vorliegend nicht gegeben sei