Nicht jede Twitter-Äußerung ist durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und nicht alles durch das garantierte Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Erfahrung musste ein Bundestagsabgeordneter der AfD machen.

Der Sohn des ehemaligen Profitennisspielers Boris Becker, Noah, hatte sich in einem Zeitungsinterview dahingehend geäußert, er werde häufig aufgrund seiner Hautfarbe benachteiligt. Diese Äußerung nahm ein AfD-Politiker zum Anlass, sich in einem Tweet folgendermaßen zu äußern: „Diesem kleinen Halbneger scheint zu wenig Beachtung geschenkt worden sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären“. Obwohl Noah Becker in der Öffentlichkeit sehr souverän mit dieser Äußerung umgegangen ist, wählte er dennoch den Rechtsweg und erstattete Anzeige wegen Beleidigung. Allerdings erst, nachdem er zuvor versucht hatte, den Streit außergerichtlich beizulegen.

Becker forderte den AFD-Politiker auf, 7.500 Euro einer karitativen Einrichtung zu spenden. Nachdem diese Offerte ohne Gegenreaktion geblieben war, wählte Becker den Weg der Zivilklage. Das Landgericht Berlin hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Tweet des beklagten AfD-Politikers noch unter den Tatbestand der Meinungsfreiheit fällt oder ob ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vorliegt. Die Richter ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten einen Anspruch auf Geldentschädigung des Klägers begründet. Nach der Einzelfallprüfung steht die Rechtmäßigkeit dieses geldwerten Anspruchs fest, da die erlittene Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise angemessen auszugleichen ist. Auch die Tatsache, dass der Beklagte vorbringt, nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter habe diesen ehrverletzenden Tweet gepostet, ändert die juristische Ausgangslage nicht.

Selbst wenn die Aussage des Beklagten der Wahrheit entspricht, ist sie dennoch nicht geeignet, um die Entscheidung der Richter zu ändern. In diesem Fall muss sich der Beklagte die Handlung seines Mitarbeiters selbst zurechnen lassen, da dieser gemäß § 831 BGB als Verrichtungsgehilfe anzusehen ist. Zuvor hatte der Beklagte in seinem Vortrag zugegeben, seine Mitarbeiter zu der eigenverantwortlichen Absetzung von Tweets über seinen Twitter-Account bevollmächtigt zu haben. Gemäß der allgemeinen Rechtsprechung sind Verleger und Herausgeber grundsätzlich für Beiträge mit schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts verantwortlich. Dieser Haftungsgrundsatz gilt auch im vorliegenden Fall für den Beklagten als Inhaber des Twitter-Accounts, über den der streitgegenständliche Tweet abgesetzt wurde. Der Beklagte muss sich diesen Tatbestand selbst dann zuordnen lassen, sollte der Mitarbeiter die entsprechende Äußerungen weisungswidrig veröffentlicht haben.

Das Landgericht Berlin hat dem Kläger einen Anspruch auf die Zahlung 15.000 Euro nebst Zinsen und die Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 526,28 zugesprochen. Der Beklagte kann gegen dieses Urteil innerhalb eines Monates nach Zustellung der Urteilsbegründung in Berufung gehen.