LG München wendet sich wegen BGH-Rechtsprechung zu Filesharing-Fällen an EuGH

In Fällen, in denen sich Inhaber von Internetanschlüssen in gegen sie erhobenen Schadenersatzklagen wegen illegalem Filesharing auf ihre Angehörigen berufen, vertritt der BGH eine klare Rechtsprechung.

Verkürzt gilt: Der Beklagte, der bestreitet, die Rechtsverletzung begangen zu haben, muss nur darlegen, dass auch andere Familienangehörige eigenen Zugang zu dem Internetanschluss hatten. Der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG verbiete es dann, dass Details aus dem Familienleben bekannt gemacht werden müssten. Insbesondere sei etwa ein Durchsuchen des Computers des Ehegatten nicht zumutbar (Az. I ZR 154/15). Der Kläger kann den tatsächlichen Rechtsverletzer so zumeist nicht nachweisen. Soweit allerdings Eltern konkret namentlich bekannt sei, welches ihrer Kinder das rechtsverletzende Filesharing vorgenommen habe, sei dessen konkrete Benennung zumutbar (Az. I ZR 19/16).

Vor diesem Hintergrund wäre der dem LG München I nun vorliegende Fall wohl ebenfalls zugunsten des Beklagten zu beurteilen: Ein Hörbuchverlag klagt gegen einen Internet-Anschlussinhaber auf Schadenersatz nach dem Urhebergesetz, da dieser über seinen Internetanschluss ein Hörbuch zum illegalen Download angeboten habe. Der Anschlussinhaber bestritt dies und führte aus, auch seine Eltern hätten diesen Internetzugang nutzen können. Damit könnte der Beklagte seiner Nachforschungspflicht im Lichte der bisherigen BGH-Rechtsprechung bereits in ausreichendem Maße nachgekommen sein.

Das LG München, das bei Filesharing-Fällen zuletzt eine strengere Rechtsprechung vertrat, ging nun einen anderen Weg (Pressemitteilung 01/17 vom 20.03.2107): In einem Vorabentscheidungsersuchen stellt es dem EUGH die Frage, ob diese BGH-Rechtsprechung noch den Schutz-Vorgaben der einschlägigen europäischen Richtlinien (2001/29/EG und 2004/48/EG) entspreche. Diese sehen zum Schutz der Urheberrechte „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Rechtsbehelfe vor.

Die Münchner Richter sehen dies als nicht gegeben, wenn allein die Nennung von Familienangehörigen, die die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnten, den Schadenersatzanspruch ins Leere laufen ließe. Allerdings hatte auch der BGH bereits 2016 festgestellt, dass der Inhaber des Internetanschlusses einen alternativen Geschehensverlauf etwa in zeitlicher Hinsicht plausibel darlegen muss (Az. I ZR 48/15).

Auch im Vergleich zur BGH-Rechtsprechung sind die Antworten der EuGH-Richter mit Spannung zu erwarten.