Keine Störerhaftung des Anbieters eines öffentlichen WLANs für darüber begangene Urheberrechtsverletzungen – aber eine drohende Passwortpflicht

Wie der Europäische Gerichtshof in einem aktuellen Urteil zur Störerhaftung entschieden hat, trifft den Betreiber eines offenen WLANs keine mittelbare Haftung für Urheberrechtsverletzungen, die Dritte z.B. durch Verbreitung geschützter Filme oder Musiktitel in seinem Netz begehen. Der Rechteinhaber kann weder Schadenersatz noch Abmahnkosten von ihm verlangen.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger in seinem Gewerbetrieb einen offenen WLAN-Hotspot angeboten. Nachdem darüber ein urheberrechtlich geschützter Musiktitel zum illegalen Download bereitgestellt worden war, hatte Sony Music als Rechteinhaberin den Kläger abgemahnt. Dieser hatte sich mit dem Argument gewehrt, nicht er selbst, sondern ein unbekannter WLAN-Nutzer habe die Rechtsverletzung begangen.

Dagegen hatte Sony Music sich auf die Haftung des Klägers als Betreiber des ungesicherten WLANs berufen. Das zuständige Landgericht München I hatte Zweifel, ob eine solche Störerhaftung mit EU-Recht bzw. dem Telemediengesetz vereinbart sei, und deswegen den EuGH angerufen.

Der EuGH hat festgestellt: Wer wie der Kläger – Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik – unentgeltlich einen offenen Internetzugang zur Verfügung stelle, um auf in seinem Gewerbebetrieb angebotene Waren oder Dienstleistungen aufmerksam zu machen, erbringe einen „Dienst der Informationsgesellschaft“. Als Diensteanbieter treffe ihn keine Verantwortung für Informationen, die Dritte über den offenen Internetzugang übermittelten, sofern er die Übermittlung nicht veranlasst, den Empfänger nicht ausgewählt und auch die Informationen nicht ausgewählt oder verändert habe.
Seien diese drei Voraussetzungen erfüllt, scheide eine Störerhaftung des WLAN-Anbieters auf Schadenersatz und Abmahnkosten wegen Urheberrechtsverletzungen durch Dritte über sein Netz aus. Allerdings könne der Inhaber des verletzten Urheberrechts beantragen, dass dem WLAN-Betreiber die Fortsetzung der Rechtsverletzung behördlich oder gerichtlich untersagt werde.

Diesem könne dann unter Androhung eines Ordnungsgeldes aufgegeben werden, Urheberrechtsverletzungen durch anonyme Dritte über sein WLAN dadurch zu unterbinden, dass er dieses durch ein Passwort sichere und vor Bekanntgabe des Passwortes an einen Nutzer dessen Identität feststelle. Eine solche Maßnahme trage einerseits dem Urheberrechtsschutz und andererseits dem Recht auf unternehmerische Freiheit sowie der Informationsfreiheit Rechnung.

Eine janusköpfige Entscheidung aus Luxemburg: Einerseits befreit sie die Betreiber offener WLANs aus der Störerhaftung, andererseits setzt sie sie jedoch dem Risiko aus, wegen Fehlverhaltens unbekannter Nutzer ihrer Netze eine Passwortpflicht auferlegt zu bekommen. Wie diese in der Praxis umgesetzt werden soll, bleibt ebenso offen wie die Antwort auf die Frage, wie diese Entscheidung mit ihrer neuen Hürde die künftige Entwicklung des öffentlichen WLANs beeinflussen wird.
EuGH, Urteil vom 15.09.2016, Az. C‑484/14