Facebook muss das Grundrecht seiner Nutzer auf Meinungsfreiheit achten

Das staatlich garantierte Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt auch auf sozialen Plattformen wie Facebook. Die Richter am OLG München haben entschieden, dass Facebook Nutzerkommentare, die nach Meinung der Betreiber gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen, nicht einfach löschen darf. Facebook ist nicht berechtigt, der Meinungsfreiheit seiner Nutzer engere Grenzen zu setzen als der Staat. 

Mit der Einstweiligen Verfügung vom 27. August 2018 erklären die Richter am OLG München eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook für nichtig. Sie stellen eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer dar. Mit der streitgegenständlichen Klausel behält sich das soziale Netzwerk das Recht vor, Nutzerkommentare zu löschen, wenn diese nach Meinung der Betreiber gegen die Nutzungsbedingungen beziehungsweise „unsere Richtlinien“ verstoßen.

Grundgesetz bricht virtuelles Hausrecht 

Die Richter stellen fest, dass die durch das Grundgesetz geschützten Rechte in erster Linie im Verhältnis Bürger zum Staat Anwendung finden. Dennoch können sich diese Grundrechte, wie in diesem Fall die Meinungsfreiheit, auch unmittelbar auf Dritte auswirken. Facebook stellt nach Meinung des Gerichts einen „großen öffentlichen Marktplatz für Meinungsaustausch und Informationen“ dar, auf dem das Grundrecht der Meinungsfreiheit entsprechend zu respektieren sei. Die Richter haben demzufolge das virtuelle Hausrecht von Facebook eingeschränkt, das hinter dem Grundgesetz zurückstehen und das Recht auf Meinungsfreiheit anerkennen muss.

Die spätere Klägerin, eine Politikerin einer deutschen Partei, wurde in einer hitzigen Debatte um österreichische Grenzkontrollen als „Nazischlampe“ beschimpft. Eine weitere Nutzerin setzte einen „Like“ unter diesen Kommentar. Die Klägerin antwortete „Ich kann mich argumentativ leider nicht mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir“. Das wollten die Begutachter von Facebook so nicht stehen lassen und löschten den streitgegenständlichen Kommentar. Außerdem wurde das Konto der Klägerin gesperrt. Das Recht auf Löschung von Nutzerkommentaren besteht immer dann, wenn sie einen direkten diskriminierenden Angriff auf eine Person wegen ihrer nationalen Herkunft, Ethnizität, sexuellen Orientierung und religiösen Zugehörigkeit darstellen. Hassbotschaften, die zur Volksverhetzung geeignet sind und zu Gewalt aufrufen, sind gleichfalls grundsätzlich zu löschen. Schwierig wird es jedoch, wenn keine der zuvor genannten Kriterien vorliegen.

Wie weit darf das Recht auf Löschung privater Online-Unternehmen gehen? 

Seit Jahren beschäftigen sich die Gerichte mit der Frage, wie weit das Recht privater Online-Unternehmen gehen darf, um nutzergenerierte Beiträge zu löschen. Die Richter am OLG München konnten im vorliegenden Fall jedoch keine „evidenten Beweise“ dafür finden, dass die Klägerin in irgendeiner Weise einen persönlichen und direkten Angriff in diskriminierender Art und Weise unternommen hatte. Da bisher noch keine einheitliche Rechtsprechung vorliegt, wird das Problem, ob das virtuelle Hausrecht privater Online-Unternehmen vor dem Grundgesetz zurückzutreten hat, weiterhin bestehen bleiben.

Rechtsexperten vertreten jedoch die Meinung, dass soziale Netzwerke nicht darüber entscheiden dürfen, welche Nutzerkommentare zu löschen sind oder nicht, insbesondere dann nicht, wenn diese durch die Meinungsfreiheit geschützt sind. Damit bestehe die Gefahr der Zensur durch Plattformbetreiber wie Facebook. Eine einheitliche Rechtsprechung und zügige Entscheidungen der Gerichte würden die mit der Löschung häufig verbundene Kontensperrung vor Ablauf der üblichen 30-Tagesfrist aufheben und die Rechte der Nutzer stärken.