EuGH hält Veröffentlichung der Afghanistan-Papiere möglicherweise für zulässig

Seit 2013 streiten sich die Bundesrepublik Deutschland und die Funke Mediengruppe, zu der die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) gehört, um die Veröffentlichung der sogenannten Afghanistan-Papiere im Online-Angebot der WAZ. Es handelt sich um „Unterrichtungen des Parlaments“ (UdP), in denen das Bundesverteidigungsministerium einmal pro Woche bestimmte Referate des Ministeriums, Bundestagsabgeordnete und andere Bundesministerien über Bundeswehreinsätze in Afghanistan informiert hat. Diese Unterlagen waren „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmt und unterlagen damit einer, wenn auch niedrigen, Geheimhaltungsstufe.

WAZ veröffentlichte geheimhaltungspflichtige militärische Lageberichte

Die WAZ veröffentlichte diese etwa 5.000 Seiten starken UdP im Jahr 2012 vollständig mit Quellenangabe, Einleitung und weiterführenden Links auf ihrer Website und berief sich auf das Recht auf Presse- und Informationsfreiheit. Die Bundesrepublik machte eine Urheberrechtsverletzung geltend und klagte auf Unterlassung. Das LG Köln und das OLG Köln als Berufungsinstanz folgten dem Antrag der Klägerin und untersagten die weitere Bereitstellung der Dokumente im Internet. Das Revisionsverfahren setzte der BGH im Juni 2017 aus und rief den EuGH an. Dieser entschied am 29.07.2019 (Az.: C-469/17), dass sich der Staat grundsätzlich auf ein Urheberrecht berufen könne. Allerdings müssten die nationalen Gerichte zunächst das Bestehen eines Urheberrechts an den Militärberichten prüfen und sodann durch eine Abwägung feststellen, ob das Recht auf Presse- und Informationsfreiheit im Einzelfall nicht doch überwiegt.

Ausnahme: Berichterstattung über Tagesereignisse

Falls ein nationales Gericht den urheberrechtlichen Schutz an den militärischen Lageberichten bejahen sollte, hinge die Zulässigkeit der Veröffentlichung davon ab, ob ein Ausnahmetatbestand zugunsten der Pressefreiheit eingreift. Art. 5 III c der EU-Urheberrechtsrichtlinie bestimmt, dass bei der Berichterstattung über aktuelle tagespolitische Geschehnisse von großem öffentlichen Interesse die Pressefreiheit Vorrang gegenüber dem Urheberrechtsschutz genießt. Der deutsche Gesetzgeber hat in §§ 50, 51 UrhG die Richtlinie umgesetzt und damit nach Ansicht des EuGH abschließende Regelungen geschaffen. Eine weitergehende Bevorzugung der Pressefreiheit schließt der Gerichtshof ausdrücklich aus. Während der BGH jedoch annahm, dass die Ausnahmevorschrift wegen der isolierten Veröffentlichung der Dokumente nicht eingreife, vertritt der EuGH hierzu eine andere Ansicht. Denn die Afghanistan-Papiere seien nicht gänzlich alleinstehend, sondern in systematischer Form veröffentlicht worden, nämlich mit Einleitungstext, weiterführenden Links und der Aufforderung zur Interaktion. Vor allem wegen der Art und Weise der Veröffentlichung könne die Ausnahmevorschrift im vorliegenden Fall einschlägig sein.