BGH: Verkäufer haftet nicht für irreführende Kundenbewertungen

Der erste Zivilsenat des BGH hatte ein wettbewerbsrechtliches Verfahren gegen einen Anbieter bei Amazon-Marketplace zu entscheiden. Der Beklagte verkauft Kinesiologie-Tapes, denen mehrere Kunden in ihren Bewertungen schmerzlindernde Eigenschaften zusprachen. Da dieser Effekt medizinisch nicht belegt ist, forderte ein eingetragener Wettbewerbsverein den Verkäufer zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dieser versuchte, die Löschung der Kommentare von Amazon zu erreichen, jedoch vergeblich. Daraufhin klagte der Wettbewerbsverein vor dem LG Essen und unterlag. Auch in zweiter Instanz wies das OLG Hamm die Klage ab, der BGH bestätigte nun das Berufungsurteil und wies die Revision zurück (Urteil vom 20. 02. 2020, Az.: I ZR 193/18).

Anbieter hat nicht mit Kundenbewertungen geworben

Nach § 11 I Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist die Bewerbung von Medizinprodukten mit irreführenden Aussagen Dritter untersagt. Der BGH hielt auch die gerügten Bewertungen, die eine nicht erwiesene Wirkung versprachen, für irreführend. Allerdings habe der Beklagte diese nicht als Werbung für sich genutzt, da er sie weder veranlasst noch sich ihren Inhalt zu Eigen gemacht habe. Vielmehr sei wegen der gesonderten Darstellung der Bewertungen für Besucher des Online-Shops unschwer zu erkennen gewesen, dass es sich um Meinungsäußerungen von Kunden und nicht um Produktinformationen des Anbieters gehandelt habe.

Der Senat stellte weiter klar, dass Händler nicht grundsätzlich verpflichtet sind, irreführende Äußerungen von Dritten zu unterbinden. Eine solche Pflicht aus § 5 I UWG herzuleiten, würde voraussetzen, dass das Anbieten von Waren bei Amazon eine Garantenstellung begründet. Dies lehnte der BGH im Ergebnis ab, da er der Meinungs- und Informationsfreiheit Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit einräumte. Denn vorliegend war nicht ersichtlich, dass die Kinesiologie-Tapes einen gesundheitlichen Schaden hätten hervorrufen können. Da Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hätten, sich anhand von Bewertungen über Produkte zu informieren, seien Kundenmeinungen in Online-Shops wichtige und erwünschte Äußerungen mit verfassungsrechtlichem Schutz.