BGH bestätigt Haftung der Anschlussinhaber bei Filesharing

BGH bestätigt Haftung der Anschlussinhaber bei Filesharing

Am 11.06 2015 hat der Bundesgerichtshof in drei verschiedenen Revisionsverfahren Entscheidungen verkündet, die sich alle mit der möglichen Verletzung geschützter Urheberrechte durch Teilnahme an sogenannten „Filesharing“-Tauschbörsen im Internet beschäftigten. Die zuständigen Richter des I. Zivilsenats am Bundesgerichtshof hatten sich dabei mit der Problematik zu beschäftigen, wer die Beweislast dafür trägt, ob von einem überprüften Internetanschluss aus tatsächlich in rechtsverletzender Weise Musikdateien getauscht wurden.

Weitere klärungsbedürftige Fragen stellten sich im Zusammenhang mit den Anforderungen, die an einen Beweis zu stellen sind, mit dem der Beklagte seine Täterschaft ausschließen möchte. Schließlich war zu klären, welche Verpflichtungen Eltern haben, deren minderjährige Kinder im Internet aktiv sind, und wann eine Haftung der Eltern für vom Kind begangene Rechtsverletzungen wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht gegeben ist. Der Bundesgerichtshof gab in allen drei Verfahren der jeweiligen Klage und der Vorinstanz (jeweils OLG Köln) statt.

1. Ermittelte Daten gelten als richtig, wenn keine tatsächlichen Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorliegen

Zum Aktenzeichen I ZR 19/14 war die Frage entscheidungserheblich, wer beweisen muss, ob tatsächlich Dateien über einen Internetanschluss getauscht worden sind. Der Beklagte gab an, dass es bei den Feststellungen der von den Klägern beauftragten Ermittlungsfirma schon in der Vergangenheit zu Ungenauigkeiten gekommen sei. Beispielsweise sei sein Name nicht richtig geschrieben worden. Deshalb könnten die nun gemachten Angaben grundsätzlich nicht als richtig unterstellt zu werden.

Die Richter am Bundesgerichtshof entschieden, dass Ermittlungen, die eigens dazu beauftragte Fachfirmen gemacht haben, so lange als zutreffend gelten müssen, bis der Gegner im konkreten wenigstens Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Ermittlungen aufgezeigt hat. Ermittlungsfehler könnten insbesondere nur dann geltend gemacht werden, wenn sie den konkreten Einzelfall betreffen und für die Richtigkeit der gemachten Feststellungen von Bedeutung sind. Ein falscher Buchstabe im Namen des Beklagten sei kein ausreichendes Indiz für eine falsche Ermittlung der vom Internetanschluss aus veranlassten Aktivitäten.

2. Die Vermutung der Täterschaft ist nur dann widerlegt, wenn dargelegt wird, wer außer dem Anschlussinhaber den Anschluss nutzen konnte

Im zum Aktenzeichen I ZR 75/14 geführten Revisionsverfahren stand die Frage im Mittelpunkt, ob der Beklagte als Täter zur Rechenschaft gezogen werden kann. Der allgemeine Vortrag des Beklagten, dass er und seine Familie zum Tatzeitpunkt im Urlaub und deshalb nicht in der Nähe des Internetanschlusses gewesen seien, reichte den Richtern aber nicht aus. Nach der Beweisaufnahme in der ersten und zweiten Instanz stand gerade nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Anschlussinhaber sich zum Tatzeitpunkt im Urlaub befunden hat. Der BGH hatte an dieser Feststellung der Instanzgerichte nichts auszusetzen.

Wer nachweisen will, dass er entgegen der Ermittlungen von seinem Anschluss aus keine Daten getauscht hat, der muss konkret darlegen, dass zum festgestellten Zeitpunkt der Tat andere Personen sich Zugang zum Anschluss verschaffen konnten und diese als Täter in Betracht kommen. Der BGH bestätigt also nach wie vor die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, so lange dieser nicht stichhaltige Anhaltspunkte dafür vorlegt, dass es im konkreten Fall ein anderer Geschehensablauf naheliegend war.

3. Minderjährige Kinder müssen nachweisbar über Risiko von Filesharing aufgeklärt werden

Im zum Aktenzeichen I ZR 7/14 entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Frage, wie weit die Beaufsichtigungspflicht von Eltern reicht, wenn minderjährige Kinder am familiären Internetanschluss teilhaben. Eltern könnten wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über ihre sich im Internet bewegenden minderjährigen Kinder zur Haftung für durch Urheberrechtsverletzungen verursachte Schäden herangezogen werden, so der BGH.

Damit hat der BGH bestätigt, dass Eltern zwar dann nicht für die rechtswidrige Teilnahme an Filesharing durch ihre minderjährigen Kinder haften, wenn sie das Kind vorher nachweislich über die Rechtswidrigkeit des Tauschens von Dateien aufgeklärt und ihm verboten haben, sich an Tauschaktionen mit solchen rechtswidrigen Auswirkungen zu beteiligen. Eltern müssen insbesondere nicht verhindern, dass minderjährige Kinder den häuslichen Internetanschluss benutzen und sie müssen die Internet-Aktivitäten des Kindes auch nicht ständig überwachen. Etwas anderes gilt, wenn schon Anhaltspunkte dafür sprechen, dass das Kind illegale Urheberrechtsverletzungen veranlasst hat.

In dem vorliegenden Fall konnte die Mutter einer 14 jährigen Tochter aber nicht nachweisen, dass sie ihr Kind gerade über die Nutzung von Filesharing aufgeklärt hatte. Das dagegen nur pauschale Anhalten der Tochter zu einem ordnungsgemäßen Lebenswandel reichte dem BGH als Aufklärung nicht aus. Die Mutter haftet daher entsprechend § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht wie ein Täter.

Im Ergebnis bestätigt der BGH mit diesen neuen Entscheidungen seine frühere Ansicht zur Vermutung der Haftung des Anschlussinhabers und den Anforderungen an das Entkräften dieser Vermutung. Auch nach den BGH Entscheidungen vom 11.06.2015 bleibt es allerdings möglich, diese Haftung auszuschließen. Jedoch wird es auf einen genauen Vortrag und detaillierte Angaben ankommen. Das pauschale Bestreiten der Rechtsverletzung wird, wie schon in den Instanzverfahren, nicht zum Erfolg führen. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass Abgemahnte sich mit einem auf die Materie spezialisierten Fachanwalt in Verbindung setzen, um die Möglichkeiten, die Haftung als Anschlussinhaber auszuschließen, in jedem Einzelfall zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen.