Afghanistan-Papiere: BGH gibt die Entscheidung an den EuGH ab

Die Bundesrepublik Deutschland lässt einen wöchentlichen Bericht über die Bundeswehreinsätze im Ausland erstellen, der als „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) an ausgewählte Ministerien und Referate im Bundestag mit Geheimhaltungsrang weitergegeben wird. Eine gekürzte Fassung, die sogenannte UdÖ (Unterrichtung der Öffentlichkeit), erhält die Presse. Die Beklagte betreibt die Website der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und hat sich die ungekürzten UdP der Jahre 2005 bis 2012 verschafft. Diese veröffentlichte sie in ihrem Online-Portal ohne weitere Kommentierung oder Einbindung in redaktionelle Beiträge.
Die Bundesrepublik Deutschland klagte in erster Instanz vor dem Landgericht Köln erfolgreich auf Unterlassung der Veröffentlichung. Auch im Berufungsverfahren gab das Oberlandesgericht Köln der Klage statt. Dagegen legte die Beklagte Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Presse- und Informationsfreiheit kontra Urheberrecht

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nahm wie die Vorinstanzen an, dass es sich bei den Berichten um urheberrechtlich geschützte Sprachwerke handelt, an denen die Klägerin das alleinige Erstveröffentlichungsrecht hat. Die Klägerin beruft sich auf ihre Geheimhaltungsinteressen, da in der ungekürzten Fassung Informationen enthalten seien, die staatliche Sicherheitsinteressen tangieren könnten. Demgegenüber stehen die Pressefreiheit und das Recht auf Information. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung im Rahmen des Zitatrechts und der Berichterstattung über Tagesereignisse zulässig sei.
Nach Ansicht des Senats greifen die genannten Ausnahmen bei wortgetreuer Auslegung der EU-Urheberrechtsrichtlinie nicht, denn die Beklagte hat Berichte aus vergangenen Jahren isoliert online gestellt und nicht in eine aktuelle Berichterstattung eingebunden. Außerdem erlaubt das Zitatrecht nur das Zitieren aus bereits rechtmäßig veröffentlichten Dokumenten.

EuGH soll über die Auslegung der Urheberrechtsrichtlinie entscheiden

Der Senat hat durch Beschluss vom 01.06.2017 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EU-Urheberrechtsrichtlinie vorgelegt (Az.: I ZR 139/15). Zunächst soll dieser entscheiden, ob die gegenständlichen Bestimmungen des Unionsrechts den Einzelstaaten bei der Umsetzung ins nationale Recht Spielräume lassen oder als zwingende Vorgaben zu verstehen sind. Weiterhin soll der Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden, ob die Grundrechte auf Presse- und Informationsfreiheit nach der EU-Grundrechtecharta im Einzelfall auch über die festgeschriebenen Ausnahmen hinaus Eingriffe in das Urheberrecht rechtfertigen können.